Noch tiefer bohren, bitte!

Zu guter Letzt ging es beim Workshop am Institut für Bayerische Geschichte um einen bezeichnenden Problemfall in der jüngeren Vergangenheit. Edmund Stoiber machte nämlich in den 1980er Jahren als Leiter der Bayerischen Staatskanzlei seinen Einfluss auf die personelle Besetzung des Bayerischen Rundfunks in außerordentlichem Maße geltend. Die dahingehenden Erkenntnisse von Dr. Claudia Schemmer (im Bild stehend) bestätigte schließlich der ehemalige BR-Chefreporter Ernest Lang - und wusste sie sogar noch genauer auszuführen. Er war damals nämlich wegen seiner kritischen Positionen selbst Stein des Anstoßes für Stoiber gewesen. Vor diesem aufschlussreichsten Blick in das Beziehungsgeflecht von Politik und Rundfunk in Bayern galt die Auseinandersetzung der Workshop-Teilnehmer dem langjährigen Fernsehdirektor Helmut Oeller sowie dem einflussreichen Leiter des Landfunks Erich Geiersberger (im Bild von links die Referenten Dr. Raphael Gerhardt und Jochen Gaab). Oellers Amtsführung zeichnete sich nicht zuletzt durch mehrfache Abschaltungen - aus konservativer Sicht - zu kritischen Programms aus, während Geiersberger im Landfunk konsequent landwirtschaftliche Lobbyarbeit betrieb. Diesen fragwürdigen Personalien voraus ging die Erörterung von Karl Alexander von Müllers Karriere im Hörfunk der 1950er durch Dr. Matthias Berg (HU Berlin). Obwohl Müller dem NS augenscheinlich nahegestanden hatte, bekam der bayerische Landeshistoriker im Programm des Bayerischen Rundfunks regelmäßig sehr gute Sendeplätze eingeräumt. Dass der BR allerdings auch Forum für andere Autoren sein konnte, das zeigte der Vortrag von Emanuel Rüff über Carl Amery.

Die Veranstaltung des Instituts und der Kommission für bayerische Landesgeschichte unter der Federführung Prof. Ferdinand Kramers beweist, wie erkenntnisreich die Biographien von Protagonisten des Rundfunks sind. Das gilt sowohl für das Medium selbst als auch und gerade für die politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontexte. Das besondere Interesse richtet sich dabei allen voran auf die Intendanten des Bayerischen Rundfunks, zu denen bislang kaum Forschungsergebnisse vorliegen.

So erfreulich das erklärte Bestreben auch ist, hier weiter zu forschen, so ist der Workshop doch Antworten auf zentrale Fragen schuldig geblieben: Wie konnten die genannten, problematischen Fälle beim Bayerischen Rundfunk überhaupt möglich sein? Gab es etwa strukturelle Defizite bei der öffentlich-rechtlich organisierten Anstalt? Gar von Anfang an? Woher rührten diese? Und wirken sie vielleicht bis heute fort? Dahingehend ist eine wissenschaftliche Auseinandersetzung unbedingt notwendig, die auch öffentlich geführt wird! Einige Antworten darauf liefert im Übrigen bereits das im Pustet-Verlag erschienene Buch "Die Stimme Bayerns", das die Ergebnisse meiner eigenen, langjährigen Forschungen in konzentrierter Form präsentiert.